Alle Ihre Mitarbeiter haben Smartphones. Warum sollten Sie für die Leute zusätzlich geschäftliche Geräte anschaffen? Meiner Meinung nach ist das absurd, auch wenn es heutzutage noch recht üblich ist. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass, während wir hier zusammensitzen, noch keiner unserer Konzernkunden Linchpin Mobile vollständig auf Privatgeräte ausgerollt hat. (Ich hoffe aber sehr, dass das der Fall sein wird, wenn wir uns das nächste Mal unterhalten.) Es ist also eher der Normalzustand, wenn in Ihrem Unternehmen niemand geheime Unternehmensdaten auf den privaten Handys von Mitarbeitern sehen möchte. Klingt ja auch irgendwie komisch und fast beängstigend, oder? Trotzdem will ich den Versuch unternehmen, Sie davon zu überzeugen, dass es nahezu unvermeidlich ist und dass es früher oder später doch dazu kommen wird.

Wir wollen an dieser Stelle nicht noch mal aufrollen, wie wichtig Smartphones heute sind. Lassen sich mich in diesem Zusammenhang aber mal ein Erlebnis schildern, das ich kürzlich hatte. Wir haben neulich unsere ersten beiden Vollzeitmitarbeiter in den USA eingestellt, einen Mann und eine Frau. Er hatte ein altes Android-Smartphone. Alles gut. Sie allerdings besaß ein über 1.000 Euro teures iPhone der neuesten Generation und sagte auch, dass sie das Gerät gerne behalten wolle.

Sie müssen dazu wissen, dass ich selbst in einem Unternehmen arbeite, in dem die IT Unternehmensdaten gerne nur auf Firmengeräten sehen möchte. Wir lösen das heute so, dass wir den Mitarbeitern einfach ein Mobiltelefon der neuesten Generation mit einem High-End-Datenvertrag zur Verfügung stellen, sämtliche Kosten bezahlen und die private Nutzung zusätzlich erlauben. Nun hatte diese neue Mitarbeiterin aber bereits ein Telefon, das ebenbürtig war. Ich ging davon aus, dass schon die monatlichen Kosten das zweite (private) Telefon überflüssig machen würden. Aber aktuell plant sie, das geschäftliche Gerät als Zweithandy zu nutzen und immer zwei Geräte mitzuführen.

Wie, bei Ihnen ist das ganz normal? Im Konzern hat man eben zwei Handys – ein privates und ein geschäftliches? Also, ich finde das wie gesagt absurd. Erstens ist es total unpraktisch, ständig zwei große Smartphones mit sich herumtragen zu müssen. Und kein Mensch macht das durchgehend. Zweitens geht ein gewichtiger Teil der Argumentationskette hinsichtlich der Aufmerksamkeit flöten, die ein modernes Intranet nutzen möchte, wenn das Intranet-Handy nicht auch das Hauptgerät ist. Denn dann schaue ich da so gut wie nie drauf.

Ein modernes Intranet bietet nicht nur die aktuellsten Nachrichten. Es ist der Schmelztiegel, in dem alle Aktivitäten zusammenlaufen. Die immens hohe Aufmerksamkeit ist Anlass für alle Führungskräfte im Unternehmen, Nachrichten zu schreiben, weil sie wissen, dass sie dort gelesen werden. Und die Nachrichten und natürlich auch all die anderen Anwendungsfälle, die wir hier besprechen, sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit weiter steigt. Dieser Schmelztiegel bestätigt und unterstützt sich selbst. 

Es ist enorm schwer, ein solches Intranet zu etablieren. Aber es funktioniert wie ein Netzwerkeffekt: Jede Information sorgt für eine noch stärkere Etablierung des Systems und ab einem gewissen Zeitpunkt unterstützt das System sich selbst durch die hohe Aufmerksamkeit.

Daher ist es meines Erachtens viel besser, wenn das geschäftliche Intranet neben dem privaten WhatsApp, neben Facebook, Instagram, Snapchat und anderen Apps läuft, die die Mitarbeiter so im Einsatz haben. Dann ist das Intranet nur einen Klick entfernt und nicht ein ganzes Gerät, das möglicherweise schon wieder im Büro vergessen wurde.

Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, als wolle ich unsere Mitarbeiter zu Wochenendarbeit verleiten. Und ich weiß, dass einige unserer Kunden von 18 Uhr bis morgens um 6 Uhr ihre Mailserver nicht ansehen. Das kann man gut finden oder auch nicht. 

An dieser Stelle muss ich erklärend hinzufügen, dass in unserer Firma jeder Kollege ein Diensthandy haben kann, ob er es für seine geschäftliche Arbeit braucht oder nicht. Damit gehen natürlich gleichzeitig gewisse "Pflichten" einher. Wir haben durchaus Mitarbeiter, die das Dienstgerät auch für alle privaten Anwendungszwecke nutzen. Kein Problem! Doch dann muss der Kollege im Zweifel natürlich die Bereitschaft mitbringen, in “Notfällen” auch mal in seiner eigentlichen Freizeit erreichbar zu sein.

Wenn dann wirklich mal ein dringender Fall entsteht und ich samstags oder sonntags eine Kollegin erreichen will, dann ist es schon besser, wenn sie das Handy dabei hat, oder? Ein Zweitgerät ist überhaupt kein Vorteil. Denn das geschäftliche Handy bleibt am Wochenende und abends ganz sicher immer zu Hause oder liegt ausgeschaltet in der Handtasche.

Viele Organisationen zementieren und konservieren auf diese Weise einen selbst gewählten Zustand, der die Etablierung eines mobilen Intranets erschwert. Solange Sie selbst als Unternehmer die Kontrolle darüber haben, wie viele Geräte Ihre Mitarbeiter so mit sich herumschleppen (sollten), ist das auch recht und billig.

Aber in immer mehr Branchen (vermutlich auch in Ihrer) hat inzwischen dieser neue Typus an Beschäftigten aufgeschlagen, der an Sie als Arbeitgeber konkrete Anforderungen mitbringt. Diese Leute haben genaue Vorstellungen davon, was sie mitmachen und was nicht. Sie arbeiten einfach nur vier Tage pro Woche, obwohl sie gut Vollzeit und sogar Überstunden leisten könnten. Sie fragen schon während der Bewerbungsphase aktiv danach, wie sie ihre Arbeit organisieren dürfen, ob sie Home-Office machen können, welche Freiheiten sie haben werden. Natürlich tun das nicht alle. Viele sind weiterhin froh, einfach einen coolen Job bei Ihnen zu bekommen und fair bezahlt zu werden. Aber diejenigen, die Sie unbedingt haben und behalten wollen, sind meist auch von anderen Unternehmen umworben. Und das versetzt begehrte Leute in eine sehr gute Verhandlungsposition.

Im Silicon Valley haben Arbeitnehmer in der Tech-Industrie bereits Anforderungslisten, die ein Job erfüllen muss. Wenn eine Firma da nicht mithalten kann, ist das ein Ausschlusskriterium.

Was macht Ihr Unternehmen, wenn Mitarbeiter nicht mehr bereit sind, ein Zweitgerät zu akzeptieren? Oder anders formuliert: Wie, glauben Sie, wird Ihre Organisation die Mitarbeiter über die nächsten zehn Jahre dazu bringen, dass sie gegen ihren Willen zwei Geräte mit sich herumtragen?

Diesen Kampf sollten Unternehmen meines Erachtens sofort aufgeben. Aber ich vermute, es wird noch eine Weile dauern, bis die Realität der Erkenntnis auf die Sprünge hilft.

Die andere Seite der Medaille ist die, dass viele Organisationen es sich gar nicht leisten wollen, allen Mitarbeitern Smartphones zu besorgen. Inzwischen gibt es ja  Android-Geräte, die halbwegs akzeptabel sind, schon für unter 200 Euro pro Stück zu kaufen. Aber wenn Sie 35.000 Werksmitarbeiter haben, sprechen wir schon über ein Budget von 7 Millionen Euro – ganz zu schweigen von den Folgekosten der Anschaffung, Verteilung, Verwaltung und Software-Ausstattung. Ja, hier bieten die MDM-Lösungen einige Möglichkeiten. Aber selbst wenn Sie die eben besprochenen Herausforderungen mal außen vor lassen, wird Ihnen beim Blick auf den Kostenüberschlag ganz anders zumute: Solche Lösungen schlagen auch gut und gerne mit 1 bis 5 Euro pro Person und Monat zu Buche, was über einen Zeitraum von fünf Jahren bei 35.000 Mitarbeitern stattliche 2,1 bis 10,5 Millionen Euro ausmacht. Und es kommt noch dicker. Viele Organisationen haben gar keine E-Mail-Adressen für die Angestellten. Dasselbe Unternehmen, das es übrigens in der Realität gibt, müsste 40 Euro pro Person und Jahr bezahlen, damit die Mitarbeiter E-Mail-Konten im Microsoft-Netzwerk bekommen. Wieder auf fünf Jahre hochgerechnet, sind das also noch mal schlappe 7 Millionen Euro Lizenzgebühren zusätzlich.

Natürlich verdient ein solches Unternehmen genug, um solche Kosten stemmen zu können. Aber warum sollte es? Am Ende geht es um ein digitales Intranet, eine Informations- und Kollaborationsplattform. In der Welt, in der wir unterwegs sind, geben Unternehmen für so etwas nicht zig Millionen Euro aus. Das mag schon vorkommen, ist aber nicht die Regel.

Mit Linchpin haben wir die Sache so gelöst, dass es für die Lizenzierung der Basis-Software Confluence von Atlassian glücklicherweise eine Benutzerstaffel gibt, die unbegrenzt viele Mitarbeiter zulässt. Die gilt schon ab 10.000 Mitarbeitern. Das bedeutet, dass weitere Mitarbeiter ab der 10.001. Person keine weiteren zusätzlichen Kosten verursachen. Andere kleinere Anbieter offerieren in der Regel ebenfalls Pauschalpreise. Und die Lösungen funktionieren ohne Benutzerkonten bei Microsoft und ohne E-Mail-Adressen. Das ist sozusagen eine wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung für eine Verlängerung der Intranet-Kommunikation auf alle gewerblichen Mitarbeiter.

Jetzt ist es ja schön, wenn ich eine Intranet-Lösung habe, die keine Zusatzkosten erfordert, und über einen Gateway-Service sicher auf ein hinter der Firewall betriebenes Intranet zugreifen kann. Aber wo kommen die Handys her? Von den Mitarbeitern natürlich. Und die Sicherheit? Die ist bereits heute ausreichend gewährleistet. Lassen Sie mich das mal kurz erklären:

Moderne Smartphones werden heute bereits von den meisten Anwendern mit einer biometrischen Sicherung ausgestattet, die sicherer als ein Haustürschlüssel ist. Dazu gehören vornehmlich Fingerabdrücke und Gesichtserkennung. Aber auch sechsstellige Codes oder Entsperrmuster sind grundsätzlich nicht unsicher. 

Hinzu kommt, dass eine sinnvolle Intranet-App selbst eine zusätzliche Sicherung ermöglicht. Auf diese Weise können auch zum Beispiel Familienmitglieder nicht einfach im Intranet surfen, selbst wenn sie zeitweilig mal Zugriff auf das Gerät haben.

In den aktuellen Versionen von Android und iOS werden die Apps außerdem in verschlüsselten Containern gehalten, sodass die dort geladenen und gespeicherten Daten nicht über andere Apps oder externe Programme eingesehen werden können. Die Sicherheit dieser Betriebssysteme steigt kontinuierlich und die Funktionen zur Geheimniswahrung verbessern sich stetig. Ich halte es für sehr sinnvoll, dass Sie das Gespräch mit Ihrer IT-Abteilung suchen und prüfen, wie es ermöglicht werden kann, dass die Mitarbeiter ihre bestehenden Geräte nutzen dürfen.

Einen Wermutstropfen hat das Ganze allerdings aus ethischer Sicht. Es gelingt einigen Unternehmen (zumindest anfangs) schon, die Bring-your-own-device-Strategie als freiwilliges Angebot darzustellen. Das führt zu der eleganten Lösung (vorausgesetzt, Sie arbeiten mit einer wie von mir beschriebenen Intranet-Lösung, die ab einer gewissen Nutzeranzahl keine weiteren Kosten mehr verursacht), dass die Umsetzung für das Unternehmen kostenneutral erfolgen kann. Gut! Vielleicht ermöglicht Ihre Intranet-App auch das Herunterladen von Informationen in WLANs, sodass keine Datentarifgebühren erforderlich sind. Noch besser! Aber wie sieht es mit einem Entgelt für die geschäftliche Nutzung eines privaten Geräts aus? Wäre das aus ethischer Perspektive nicht angemessen?

Sie kommen argumentativ vermutlich eine gewisse Zeit um diese Frage herum. Und wir haben durchaus bereits Betriebsräte gesehen, die es gut fanden, wenn Mitarbeiter mehr Zugriff auf Informationen bekommen. Aber solche Apps sind eben auch Einfallstore in die private Zeit der Arbeitnehmer und werden auch deshalb in den meisten Arbeitnehmervertretungen kritisch gesehen. Früher oder später müssen Sie im Unternehmen vermutlich darüber diskutieren, dass eine geschäftliche Nutzung privater Geräte auch mit einem Obolus zu entgelten ist.

In der Realität ist die Nutzung privater Handys jedenfalls sicherer, als es die meisten IT-Lenker wahrhaben wollen. Und es ist zudem auf lange Sicht nahezu unvermeidlich. Wenn Sie (wie ich) in einem Unternehmen mit 160 Leuten arbeiten, haben Sie die einfache Möglichkeit, allen Angestellten die Geräte samt Nebenkosten zu bezahlen. Dann werden Teile unserer Diskussion obsolet. Wenn Ihre Organisation aber größer ist, wird’s vermutlich komplizierter und komplexer.



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Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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