Zu den Charakteristika einer agilen Organisation gehört die Tatsache, dass solche Entscheidungen nicht immer von den Mächtigen getroffen werden müssen. Es kann sogenannte konsultative Einzelentscheider oder Gruppenentscheide geben. Das bedeutet, dass diese Delegierten oder delegierten Gruppen die Entscheidung durch Konsultation mit dem Unternehmen und den Interessierten vorbereiten und auch treffen. Die Geschäftsführung, der Vorstand oder auch die Gründer übertragen in einem Abstimmungsprozess die Entscheidungsgewalt für diese spezielle Aufgabe an das Team oder die Einzelperson. Das entlastet die Geschäftsführung oder den Vorstand und bringt Klarheit für alle im Unternehmen. 

In der Regel haben die Einzelentscheider oder Gruppen mehr Zeit für die Entscheidungsvorbereitung. Sie beraten sich länger, denken tiefer über die Konsequenzen nach, holen Meinungen ein und sichern sich natürlich auch nach oben (zum Beispiel gegenüber der Geschäftsführung) ab. 

Unsere Erfahrung zeigt, dass Entscheidungen, die auf diese Weise zustande kommen, im Unternehmen besser akzeptiert, schneller und professioneller vorangetrieben und am Ende auch eher von allen umgesetzt und getragen werden. Das ist in einer hierarchischen Umgebung, in der der Geschäftsführer “durchregiert”, wahrscheinlich nicht immer der Fall. 

Warum erwähne ich den Entscheidungsprozess in agilen Unternehmen, wenn wir doch eigentlich über die Anwendungsfälle eines Unternehmens-Intranets plaudern wollen? Ganz einfach: Wenn Sie in Ihrer Organisation einen Despoten, einen Übervater, einen Tyrannen oder auch einen liebevollen Patriarchen haben, der alles selbst entscheidet, ist die Wahrscheinlichkeit unglaublich gering, dass diese Person Zeit haben wird, für Transparenz zu sorgen.

So ein mächtiger Mensch muss effizient arbeiten. Er hat keine Zeit, um alles genau zu durchdenken. Er kann sich nicht mit ewig langen Diskussionen aufhalten. Seine Prioritäten lassen es nicht zu, dass er mit dem Betriebsrat über die Ängste der Mitarbeiter diskutiert. Er kann sich nicht lange erklären.

Umgekehrt lässt sich ein Delegationsfall mit Einzelentscheidern ohne Transparenz und ohne solche Werkzeuge auch nicht gut abbilden. Warum kann der Heinz jetzt auf einmal über unser aller Schicksal entscheiden? Wer hat den legitimiert? Auf welcher Grundlage trifft der die Entscheidung? Kann ich da selbst mitgehen? Unterstütze ich das?

Diese Skepsis gegenüber einem Prozess mit Einzelentscheidern und Entscheidungsgruppen kann ziemlich ausgeprägt sein: “Okay, der Seibert, der darf entscheiden. Der hat das Unternehmen ja auch gegründet. Da gibt es ja gar keine Alternative. Wenn der was will, müssen wir ja folgen. Das ist historisch gesetzt.” So lauten die Argumente und Vorbehalte. Und weiter: “Aber wenn der Heinz jetzt kommt und etwas entscheidet, was mein Leben und meine Arbeit verändert, nehme ich das nicht so einfach hin. Da will ich mit eingebunden werden und verstehen, warum das jetzt so sein soll und nicht anders.”

Eine moderne Unternehmensorganisation bedingt ein Stück weit auch eine moderne Unternehmenskommunikation und ein modernes Intranet. Denn ohne Transparenz bleibt die Skepsis gepaart mit Ohnmacht.

Falls in Ihrer Organisation also Macht regieren soll und die Entscheidungsstrukturen und Flaschenhälse keine Veränderung erfahren sollen oder dürfen, brauchen Sie vermutlich deutlich “weniger Intranet” als andere Unternehmen mit partizipativen Ansätzen.

An dieser Stelle könnte ich jetzt noch zahlreiche weitere Anwendungsfälle eines Wikis darlegen, die wir nutzen, um Investitionsthemen intern zu dokumentieren und um die Transparenz zu erhöhen. Das wollen wir aber auf später (siehe “Anwendungsbeispiele”) verschieben, einverstanden?

Um dieses Thema abzuschließen, ist ein kleiner Vergleich ganz hilfreich: Nehmen wir mal an, Sie wollen Ihre neu gegründete Kochschule vermarkten. Dann beginnen Sie vielleicht damit, den Leuten zu erklären, wie und wofür Sie all die unterschiedlichen Messer und Geräte nutzen. Und wenn sie das verstanden haben, würden Sie mit ihnen möglicherweise mal durch die ganze Küche und die Vorratskammer gehen und ihnen erläutern, dass nur ihre Kreativität sie in dem beschränkt, was sie jetzt erreichen können.

In gewisser Weise kommen die meisten Menschen heute so in Ihre Organisation. Alle wissen grundsätzlich, wie man mit einem Messer und einer Pfanne umgeht. Die meisten haben auch schon mal Spiegeleier auf den Tisch gezaubert. Und was Sie jetzt hier mit Ihrem Intranet machen, ist, eine Kreativinsel der internationalen Kulinarik in Ihrer Großküche zu eröffnen.

Dafür wird man vielleicht belächelt. Fünf verschiedene Messer! Und eine Stielkasserolle! Und die Sachen misslingen doch so leicht, werden verkocht oder verwürzt, und gut einfrieren kann man das auch nicht! Und wie lange hält das Sättigungsgefühl überhaupt an? Da bleiben wir bei SharePoint, das kann schon lange alles, was wir brauchen! (Ja, SharePoint ist in meinen Augen eher ein grobes Tool. Um damit unter die Gourmets zu gehen, muss man schon ein verdammt guter Koch sein.)

Wie dem auch sei. Es ist aussichtslos zu versuchen, Ihnen hier alle Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich Ihnen mit all den Messern, Töpfen, Zutaten und Gewürzen eröffnen. Aber ich kann Ihnen schon mal verdeutlichen, was man mit einem Ausbeinmesser tut. Und warum man das auch gut benutzen kann. 

Viele Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen sind gute Köche. Und viele Leute sind eifrige Experimentatoren und Ausprobierer. Sie haben auch schon mal erlebt, wie großartig so ein selbst gekochtes indisches oder peruanisches Gericht aussehen, duften und schmecken kann. Bisher war Ihnen das aber zu filigran. Fürs Sattwerden ist das ja erstmal nicht wichtig, da reicht das Grobe. Und irgendwie ist in so einem Betrieb ja auch das Grobe wichtig. Doch wenn wir die kulinarischen Grundlagen (Sie erinnern sich: fünf verschiedene Messer, die Stielkasserolle) nicht in den Griff kriegen, dann brauchen wir uns mit dem Ausprobieren gar nicht zu beschäftigen.

Lassen Sie uns mal weiter darüber nachdenken. Sie können am Markt zigtausend kulinarische Dienstleister ansprechen. Es ist deren Geschäft, Sie satt zu machen. Aber versuchen Sie mal jemanden zu finden, der nur für Ihre Familie kocht. Der die individuellen Vorlieben und Abneigungen Ihrer Lieben berücksichtigt. Der sich eine Alternative einfallen lässt, weil Ihnen ein Gewürz nicht gut bekommt. Der den Esstisch so dekoriert, dass alles stimmig zu Ihrer spezifischen Inneneinrichtung passt. Da wird’s schwer.

Und deshalb sitzen wir hier zusammen und unterhalten uns. Kochen (der ganz normale IT-Kram) kann da draußen jeder. Aber Zusammenarbeit richtig mit Software organisieren, sodass Teams tatsächlich besser miteinander arbeiten und die Transparenz steigt – das ist für viele so schwierig wie für mich, auch nur Nudeln bissfest zu kochen.

Und ich hoffe, dass ich Ihnen zumindest ein paar Grundlagen zu vermitteln vermag, damit Sie anschließend selbst kreativ werden können. Ihr Unternehmen hat seine eigene Kultur und seine eigenen Kontrollzwänge nebst Politik. Der virtuose Koch kann trotzdem ein modernes Intranet bauen, das Sie zu mehr Zusammenarbeit und Transparenz führt. Das wünsche ich Ihnen und Ihren Kollegen!

Hm. Haben Sie jetzt auch Appetit bekommen?

Setzt: Notfälle und Eiliges in den Griff bekommen

Wir haben schon ausführlich über die Vor- und Nachteile von Messengern im Unternehmen gesprochen. Sie sind nicht mehr wegzudenken, auch wenn die meisten Unternehmen offiziell noch gar keine eingeführt haben.

Was läuft alles über Messenger? Da werden Schichten unkompliziert getauscht. Es wird über Verfügbarkeiten und Verspätungen informiert. Es wird diskutiert und gelästert. Es werden Bilder und Videos ausgetauscht und soziale Bande geknüpft.

In den allermeisten Fällen ist die Kommunikation vermutlich nicht DSGVO-relevant und auch sonst nur wenig kritisch, was Datenschutz und Rechtsvorschriften angeht. Trotzdem sollte das allen IT-Verantwortlichen wirklich Sorgen machen. Denn sie haben keinerlei Kontrolle und auch keine Handhabe, wenn die Leute diese Kanäle eben doch für Geheimes und Kritisches nutzen.

Aber was halten Sie davon, wenn wir uns jetzt mal dem Anwendungsfall an sich widmen? Intranet-Teams sollten Portale und Plattformen bauen, die in speziellen Situationen nützlich sind. “Setzt” ist in solchen Fällen ein großes Potenzial. Es ist eine Kombination aus sofort und jetzt. Meine Frau hat dieses Wort im Alter von drei bis vier Jahren regelmäßig benutzt, um die Dringlichkeit ihrer Anliegen zu verdeutlichen. Deshalb hat dieses Kunstwort auch im Privatleben seit Jahren einen festen Platz in meinem Vokabular.

Im Unternehmen gebrauchen wichtige und mächtige Manager dieses “Setzt”. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das soll hier mal außen vor bleiben. Die Position als Führungskraft erlaubt es ihnen jedenfalls, die sofortige Aufmerksamkeit einzufordern und zu erhalten.

Ein Messenger ermöglicht auch anderen, weniger mächtigen Leuten diese direkte und dringliche Kommunikation. Denn wenn man gewisse Manager, für die eigentlich immer alles “setzt” passieren muss, mal außen vor lässt, gibt es in Unternehmen natürlich auch noch echte “Notfälle”. 

Was ein Notfall ist, kann sich sehr individuell ausgestalten. Fast alle Unternehmen betreiben Server und Software-Systeme, die offline sein können. Wenn der Dienst, also zum Beispiel das Intranet, dann nicht mehr erreichbar ist, stellt das einen Notfall dar. Notfälle können aber auch Vorfälle sein, die Kunden daran hindern, Umsatz zu machen, oder die ihre Zufriedenheit stark beeinträchtigen: Ihre Website ist offline, die Zahlung in Ihrem Shop funktioniert nicht, die teuren Klicks auf Ihre Google-Anzeigen führen auf 404er-Seiten – Sie haben bestimmt genug eigene Beispiele im Kopf.

In so einer dringenden und wichtigen Situation muss “setzt” etwas passieren. Viele Organisationen richten nun rasch einen Chatraum ein, in dem alle, die an der Problemlösung arbeiten, ihre Beiträge und den Status veröffentlichen und sich abstimmen können. Denn in der Regel brauchen echte Notfälle mehrere Beteiligte. Da die aber nicht immer in der Nähe sind, ist ein Chatraum ideal. Oft wird er durch einen Videochat oder zumindest einen Audiokanal ergänzt. Das kann ein Google Hangout, ein Zoom-Meeting oder gleich eine Speziallösung wie Opsgenie von Atlassian sein.

Gruppenchat-Räume können darüber hinaus eine hervorragende Möglichkeit für Projektteams und Meeting-Gruppen sein, die physische Zusammenkunft durch eine asynchrone oder synchrone Abstimmung in einem Chatraum zu ergänzen oder zu ersetzen. Die Potenziale für eingesparte Meeting-Zeit sind enorm.

Eine neue Anforderung in diesem Zusammenhang ist allerdings, den richtigen Zeitpunkt für den Wechsel auf persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu finden. Denn digitale Kommunikation kann gerade in komplexen Situationen kontraproduktiv sein. Immer wenn es sehr anstrengend wird, hilft ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch. Das ändert aber nichts daran, dass Projekt-Chaträume generell so manches Meeting verzichtbar machen und die Produktivität steigern können.

Der “Setzt”-Anwendungsfall ist jedenfalls in den meisten Unternehmen ungelöst. Er bietet daher einen hervorragenden Ansatzpunkt, die Etablierung des Intranet-Portals um eine entsprechende Chatlösung zu ergänzen, so den Gesamtnutzen des Projekts zu steigern und ihm eine breitere Rechtfertigung und Grundlage zu verleihen. Denken Sie doch mal darüber nach, ob und wie ein Messenger Ihr Intranet-Projekt bereichern könnte!



Das Social Intranet

Zusammenarbeit fördern und Kommunikation stärken. Mit Intranets in Unternehmen mobil und in der Cloud wirksam sein.

Virtuelle Zusammenarbeit in Unternehmen: Social Intranets als digitale Heimat 

Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
Dieses Buch verrät Ihnen aus langjähriger Erfahrung heraus, wie das heute schon geht und welchen vermeintlichen Trends Sie lieber nicht folgen sollten.

Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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